PROJEKT 2016/17 – unterwegs. – TEILPROJEKTE

Routen von Wert. Transportwege in der christlich-humanitären Hilfe

In der Praxis verschiedener Wohltätigkeits- und Hilfsorganisationen spielen neben Geldspenden auch textile Sachspenden eine wichtige Rolle. Diese organisierten Altkleidersammlungen sind zum einen die materielle Basis, um eine direkte Nothilfe in internationalen Krisen- und Katastrophengebieten zu ermöglichen. Zum anderen werden mit diesen gesammelten gebrauchten Bekleidungsstücken auch Spendenausgaben und Kleiderkammern für einkommensschwache Bevölkerungsschichten und Obdachlose in Deutschland gefüllt. Seit Mitte 2015 bildet sich über das Sammeln von Altkleidern auch die Fürsorge für Flüchtlinge ab. Welche Wege die in anonymen Containern, von Kirchengemeinden oder in sozialen Einrichtungen gesammelte Garderobe nimmt, bleibt dabei jedoch weitgehend intransparent. Es ist für die Spendenden nicht immer offensichtlich und nachvollziehbar, ob, wann und wie die Kleiderspende zum humanitären Hilfsgut oder auch zur Secondhandware wird, wie sich also die Sachspende möglicherweise zur Geldspende wandelt.

Das kulturanthropologisch-ethnografische Forschungsprojekt widmet sich den Wegen und Routen, die Altkleiderspenden als humanitäres Hilfsgut nehmen, und fragt nach Interessen und Logiken, die das Sammeln, Transportieren und Sortieren dieser Dinge rahmen und begründen. Es skizziert die Infrastrukturen, die in der Praxis von verschiedenen Institutionen aufgebaut und genutzt werden, und erörtert dabei, welche Bedeutung gerade auch den Verkehrs- und Kommunikationswegen im Rahmen des humanitären Engagements dieser Institutionen zukommt. Exemplarisch werden dabei die Wege von Altkleidersammlungen in den Blick genommen, die in kirchlichem Kontext gespendet und gesammelt wurden. Zu diesem Zweck wird die Arbeit einer kirchennahen Stiftung mit ethnografischen Methoden erforscht.

Insbesondere fokussiert das Projekt den Bereich der Logistik, also den Transport, die Lagerung und die Verteilung von textilen Spenden. Deren Betrachtung gibt konkrete Einblicke in Versor­gungswege und auch Verwertungslogiken, die im Zusammenhang mit dem globalen kommerziellen Handel mit Altkleidern schon seit längerer Zeit immer wieder kontrovers, d.h. auch mit explizitem Bezug auf moralische Werte und ethisches Handeln diskutiert werden. Im Rahmen des Forschungsprojektes gilt daher die besondere Aufmerksamkeit der Zuschreibung von christlichen Werten und Normen und der Frage, wie diese entlang der Verkehrsrouten von den Akteuren verhandelt, symbolisch repräsentiert und nicht zuletzt auf dem Weg der Altkleiderspenden mittransportiert werden. Das Projekt geht daher auch der Frage nach der ethischen Rahmung des humanitären Helfens nach, die gerade im Bereich der textilen Sachspende im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsdiskursen virulent wird.  

 

Kontakt

unterwegs_2017[at]web.de

Forschungsprojekt »unterwegs«
c/o
Institut für Volkskunde/Kulturanthropologie
Universität Hamburg
Edmund-Siemers-Allee 1 (West)
20146 Hamburg