PROJEKT 2008/09 – Kulturelle Übersetzungen – TEILPROJEKTE

Westliche Technik, japanischer Geist.
Künstlerische Materialien als Medien der Übersetzung

Vera Wolff

In Japan hat Ölmalerei keine lange Tradition. Systematisch eingeführt wurde sie erst ab dem Jahr 1876, als das Wirtschaftsministerium die Tokioter Hochschule zur Vermittlung der künstlerischen Techniken des Westens gründen ließ. Das Projekt folgte einem Prinzip der Modernisierung Japans, das als »wakon yosai« – ›japanischer Geist, westliche Technik‹ – bezeichnet wurde. Die japanische Ölmalerei stieß im Westen jedoch auf Ablehnung: Mit solchen Imitationen verspiele das Land sein kulturelles Erbe. Auch in Japan selbst war ihr Import nicht unumstritten: Die gezielte Aneignung moderner Techniken, mit der Japan seine Kolonialisierung verhindern wollte, kritisierten Intellektuelle und Kulturfunktionäre wie Okakura Kakuzo als eine Form der Verwestlichung. In Abgrenzung dazu initiierte Okakura gemeinsam mit einem in Japan lehrenden Amerikaner, Ernest Fenollosa, eine moderne Schule, die die klassische japanische Malerei, die in traditionellen Techniken mit wasserlöslichen Pigmenten auf Seide oder Papier ausgeführt wird, wiederbeleben sollte. Von der Materialität dieser Malerei leiteten sie eine spezifisch japanische Ästhetik ab, die sie mit Hilfe der idealistischen Philosophie des Westens legitimierten. Damit hatten Okakura und Fenellosa eine besonders subtile und, wie sich zeigen läßt, besonders erfolgreiche Variante des »wakon yosai« erfunden.

Mein Vortrag wird von diesem exemplarischen Versuch einer kulturellen Übersetzung ausgehen und die Wirkungen und Verwerfungen nachvollziehen, die die Übertragung einer künstlerischen Technik aus einem kulturellen Kontext in einen anderen haben kann. Anhand der Frage, welche ikonographischen Bedeutungen den Techniken und Materialien der japanischer Malerei in der Folge zugewiesen und wie sie von künstlerischer und theoretischer Seite reflektiert wurden, wird mein Vortrag die Diskursgeschichte der japanischen Malerei kursorisch bis in die Gegenwart verfolgen.